Die Apotheke in Dir

Wir alle haben sie in uns:

Die Selbstheilungskräfte.

Damit ist erstmal ganz nüchtern die Fähigkeit unseres Körpers gemeint, Verletzungen, Krankheiten und funktionelle Störungen zu überwinden.

Unser Körper heilt sich ständig selbst und wir nehmen es gar nicht bewusst wahr. Wenn du dich beim Kochen schneidest, heilt die Wunde. Wenn du dir die Zunge an deinem Tee verbrennst, regeneriert sie wieder. Ein gerichteter Knochen wächst nach einem Bruch wieder zusammen. Wenn dein Körper mit einem Virus konfrontiert ist, reagiert dein Immunsystem und eliminiert den Erreger. Das sind Beispiele für grundlegende Prozesse, die in deinem Körper ablaufen und die dafür sorgen, dass du heilst. Und der Körper kann noch so viel mehr, aber dafür braucht er auch deinen Geist, der ihm hilft diese Selbstheilungskräfte zu aktivieren.

Bei jeder Behandlung einer Erkrankung spielen sich in der Tiefe auch Selbstheilungskräfte ab. Kein anderer Mensch kann dich vollständig gesund machen, wenn du nicht selbst daran glaubst und Verantwortung für deine Gesundheit übernimmst.  Einen großen Einfluss auf die Aktivierung der Selbstheilungskräfte hat die Zuversicht – die Zuversicht, dass die Behandlung helfen wir wieder gesund zu werden.

Wenn du Vertrauen und Zuversicht hast, dass ein Arzneimittel wirkt, dann kommt auf die eigentliche pharmakologische Wirkung (Was der Wirkstoff im Körper tut) noch eine große Portion Selbstheilung oben drauf. Und diese Portion nennt man auch PLACEBO. Und auch, wenn dieses Wort häufig als etwas Negatives verstanden wird oder eine Wirkung heruntergespielt wird als „das ist doch NUR Placebo“, möchte ich dir erklären, was unser Körper da eigentlich Großartiges vollbringt.

Placebo hat nämlich wirklich nichts mit Einbildung zu tun

Da passiert etwas, was wir objektiv messen können. Wenn unser Körper die Apotheke in uns in Gang schmeißt, spielen sich psychologische und neurobiologische Prozesse ab. Und das ist so mächtig, dass im Bereich der Schmerztherapie, bei Angsterkrankungen, Depression und Fatigue bis zu 70% des Gesamttherapieerfolges auf diesen Effekt zurückzuführen sind.

Doch wie funktioniert das Ganze?

Erwartungen

Wie schon beschrieben, ist ein großer Faktor die Zuversicht, dass alles wieder gut wird und eine optimistische Erwartungshaltung. Eine große Rolle spielt deswegen auch nicht nur die Fachkompetenz eines Arztes oder Apothekers, sondern auch deren Einfühlungsvermögen und Umsicht mit deiner Situation, damit du Vertrauen aufbauen kannst. Fehlt dieses Vertrauen und machen sich negative Gefühle wie Angst, Verunsicherung und Hilflosigkeit breit, weiß man aus der Angst- und Stressforschung, dass diese Gefühle sogar die Fähigkeit zur Selbstheilung unterdrückt wird.

Konditionierung

Wenn durch eine bestimmte Behandlung oder Person in der Vergangenheit bereits Erfolge erlebt wurden, können diese wiederum als Stimulus wirken, und wiederholt Erfolge auszulösen. Das ist die klassische Konditionierung gemäß dem Pawlowschen Hund. Der Körper lernt, dass bestimmte Medikamente und Methoden eine positive Wirkung entfalten.  Es laufen also unbewusste neurobiologische Prozesse alleine durch den körperlichen Lerneffekt ab.

Das bedeutet, wenn der Körper gelernt hat, dass durch eine Spritze in den Rücken die Schmerzen gelindert werden, würde beim nächsten Mal allein der Pieks auch ohne Wirkstoff ausreichen, um einen Effekt hervorzurufen. Wenn der Körper gelernt hat, dass das Schlucken einer Schmerztablette die Kopfschmerzen lindert, würde beim nächsten Mal nur der Schluckprozess einer Tablette auch ohne Wirkstoff ausreichen, den Effekt auszulösen.

Und noch viel spannender: Placebo funktioniert auch, wenn du weißt, dass du ein Placebo nimmst! Eben nur nicht so stark, wie wenn du es nicht weißt.

Körpereigenes Opioidsystem

Im Bereich der Schmerzen ist dieses Phänomen am besten untersucht. Da wird nämlich ein körpereigener Cocktail aus schmerzstillenden Substanzen gemixt. Dieser besteht aus körpereigenen Opioiden. Besonders beeindruckend ist, dass man diese Wirkung durch die Gabe von Naloxon – einem Opiod-Antagonisten – wieder aufheben kann.

Nehmen wir den Placebo-Effekt also als das, was er ist – etwas verdammt Großartiges. Er ist nicht NUR der Placeboeffekt. Er ist die Apotheke in dir und hilft dir dich selbst zu heilen.

Brauchen wir denn jetzt keine Medikamente mehr?

Doch, die brauchen wir. Der Placebo-Effekt endet dort, wo der Körper nicht mehr selbst zur Heilung beitragen kann. Denk da einmal an drastische Beispiele wie Splitterbrüche oder Tumore. Man weiß auch, dass der Effekt desto geringer ausgeprägt ist, je basaler die Funktion im Körper ist. Das heißt, der Effekt auf das Hormonsystem und Immunsystem ist nicht so stark ausgeprägt, wie der auf die Schmerzwahrnehmung. Aber auch hier kann der Körper über Konditionierung lernen.

Jede medizinische Behandlung ist begleitet von Placebo-Effekten. Wie stark diese sind, ist abhängig davon, wie gut es uns gelingt unsere Selbstheilungskräfte zu aktivieren.

 
 
 

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